E-Mail-Marketing wird laut der E-Mail-Marketing Benchmark-Studie von Dr. Torsten Schwarz mittlerweile von knapp 95 Prozent aller Unternehmen zur Kundenkommunikation eingesetzt – der Kanal hat sich also fest im Marketing-Mix etabliert. Unsere Werkstudentin Julia hat sich mit Nico Zorn, Geschäftsführer bei Saphiron, darüber unterhalten, wie Unternehmen E-Mail-Marketing nutzen und wie sich der Kanal entwickelt.
E-Mail-Marketing gilt oft als etwas angestaubt. Warum ist der Kanal nach wie vor relevant?

Nico Zorn: Letztendlich gibt es nach wie vor keine sinnvolle Alternative. Im vergangenen Jahr wurden etwa WhatsApp-Newsletter als „der E-Mail-Marketing Killer“ gehandelt – bis zu dem Zeitpunkt, als WhatsApp den Versand von Marketing-Nachrichten untersagt hat (Ab 7. Dezember: Whatsapp verbietet den Newsletter-Versand). Die Unternehmen, die mühsam Reichweite für ihren WhatsApp-Newsletter aufgebaut haben, stehen jetzt vor dem Problem, dass die Kontakte praktisch wertlos sind.
Viele Unternehmen haben in den vergangenen Monaten einen stärkeren Fokus auf E-Mail-Marketing gelegt, weil sie nach den zahlreichen Updates des Facebook Newsfeed Algorithmus schmerzlich erkannt haben, dass die Reichweite, die sie auf den Social Media Plattformen mühsam aufgebaut haben, nicht ihnen, sondern letztendlich den Betreibern der Plattformen gehört: Was ist ein Facebook Fan noch wert, wenn mein Content nur noch für 3 Prozent meiner Facebook Fans sichtbar ist?
Wie sieht es denn mit der Verbreitung aus: Nutzen nicht fast viele Unternehmen eine mehr oder weniger professionell umgesetztes E-Mail-Marketing?
Nico Zorn: Das ist sehr stark von der Branche abhängig. Im E-Commerce wird E-Mail-Marketing in der Tat sehr intensiv genutzt, in anderen Branchen sieht es hingegen meistens noch recht düster aus: Oft fehlt nicht nur eine übergeordnete Strategie, sondern auch das notwendige Know-How, um den Kanal effektiv zu bespielen.Nachholbedarf sehen wir insbesondere im B2B-Bereich, hier wird der Kanal oft noch sehr stiefmütterlich behandelt – was angesichts des hohen Kundenwerts im B2B kaum nachvollziehbar ist.
Was hat sich aus Deiner Sicht in den letzten Jahren im E-Mail-Marketing verändert?
Nico Zorn: Immer mehr Unternehmen entdecken, wie effizient E-Mail Marketing funktioniert. Das bedeutet auch, dass sich der Kampf um die Aufmerksamkeit des Empfängers im Posteingang zuspitzt, schließlich konkurriert jede E-Mail um die Aufmerksamkeit des Empfängers. Die Anforderungen an das E-Mail-Marketing sind also gewachsen: „Mal eben so einen Newsletter verschicken“ funktioniert im Jahr 2020 schlichtweg nicht mehr. Ich benötige eine klare, durchdachte Strategie, ein professionelles E-Mail-Marketing System sowie optimal aufgebaute Prozesse und Werbemittel – von der Betreffzeile über den Inhalt der E-Mail, bis hin zur Landing Page, dem Check-Out Prozess und der anschließenden Bestellbestätigungsmail.
Ein Klassiker ist der Newsletter. Aber welche Varianten und welche neuen E-Mail-Formate sind aus Deiner Sicht interessant?
Nico Zorn: Der Newsletter ist in der Tat ein Klassiker, gegen den auch nichts einzuwenden ist. Häufig erzielen wir für unsere Kunden jedoch deutlich bessere Kennzahlen mit Lifecycle- und Trigger-Mails, also mit E-Mails, die anlassbezogen automatisiert verschickt werden.
Im Distanzhandel und der Verlagsbranche haben wir beispielsweise gute Erfahrungen mit Mails an Warenkorb-Abbrecher gemacht. Dabei muss nicht zwingend eine umfassende Marketing Automation aufgebaut werden – manchmal reicht auch eine „einfache“ Mail an die Kunden, die ein Produkt fast gekauft, letztendlich den Prozess aber abgebrochen haben.
Dabei ist es häufig hilfreich, die Komplexität zu reduzieren. Für eine ausgefeilte Marketing Automation fehlen oft Inhalte, Zeit, Technik, Daten und manchmal auch die passenden Produkte. Die Frage sollte also sein, wie ein erster Schritt aussehen kann. Beispiel im Verlagsbereich: Hier können wir eine Welcome Serie aufsetzen, die neuen Newsletter-Abonnenten nach der Anmeldung neben dem regulären Newsletter alle X Tage die beliebtesten Inhalte aus dem Archiv schickt und systematisch an ein kostenpflichtiges Abo-Produkt heranführt. Das funktioniert bis zu einem gewissen Punkt auch ohne Schnittstellen oder weitere Daten über den Kunden, die Komplexität ist also überschaubar.
Welche E-Mail-Kompetenzen sollten Unternehmen selbst aufbauen, welche Aufgaben besser an eine E-Mail-Marketing Agentur abgeben?
Nico Zorn: Das ist pauschal schwer zu beantworten und hängt nicht zuletzt von der Unternehmensgröße und dem zur verfügung stehenden Budget ab. In vielen Fällen ist es ratsam, die Produktion der E-Mail-Kampagnen aufgrund des hohen Aufwands extern zu vergeben. Eine Agentur kann darüber hinaus etwa bei der Strategieentwicklung sowie bei der Auswahl und dem Set-Up eines geeigneten E-Mail-Marketing-Systems unterstützen.
Mit Saphiron unterstützten wir Kunden bei Bedarf auch als Fullservice-Dienstleister. Dabei ist es uns allerdings wichtig, dass der Kunde dennoch ein Verständnis von dem Kanal entwickelt: Welche Maßnahmen funktionieren? Was sind die bisherigen Learnings? Um das sicherzustellen, vereinbaren wir Jour Fixe, in denen die bisherigen Erfahrungswerte mit dem Kunden ausgetauscht werden.